Februar 2023
Schön langsam werden die Nerven unseres Kuschelponys wieder stärker. Seit einer gefühlten Ewigkeit hat er wieder angefangen, am Abend mit mir zu kuscheln. Mittlerweile „führen“ wir schon und „gehen nicht mehr nebeneinander“. Er lässt sich bereits öfter in einem seiner „ich bin weg“-Blitzstarts einbremsen – obwohl wir nur einen leichten Strick am Halfter verwenden. Das wäre noch vor einigen Wochen nicht möglich gewesen. Es zeigt wieder, das gegenseitiges Vertrauen und Respekt die Grundlage für einen sicheren täglichen Umgang ist – für ein zufriedenes, „gut erzogenes“ Pferd.
Das „Füße geben“ ist eine extrem schwierige und langwierige Aufgabe für uns. Beim Kellerkind war es anders – er war ein dominanter Hengst. Er hatte keine Angst, dass ihn ein ranghöherer Hengst durch das Beißen in die Vorderbeine zu Fall bringen möchte. Beim Kuschelpony ist es anders. Er hat fast panische Angst, wenn wir seine Vorderbeine „bewegen“ wollen. Er verbindet das mit schlimmen Erlebnissen – ein fester Stand war für ihn überlegensnotwendig. Die Vorderbeine „knickt“ ihm niemand weg. Zu Beginn flogen blitzschnell angriffsartig die Vorderbeine. Zwar nur drohend – aber trotzdem sehr unangenehm für uns. Mit viel Geduld und Ruhe haben wir es mittlerweile geschafft, ein Vorderbein anheben und halten zu können. Das zweite ist schwieriger, weil es seine „bessere“ Angriffseite ist. Außerdem hat er jetzt mit „Fuß“ verknüpft, das linke Vorderbein anzuheben. Wenn wir am rechten Bein stehen und „Fuß“ sagen, dann hebt er das linke. Und wird ganz nervös, weil er feststellt, das ist nicht ganz das, was wir wollen. Dann sucht er sein Heil in der Flucht und „ist dann mal weg“. Wobei er so intelligent ist, ganz genau zu differenzieren, ob wir putzen oder Füße geben üben. Beim Putzen können wir alle 4 Beine von oben bis zum Huf angreifen – ohne Probleme. Aber eben auch nicht anheben ….
Und für alle, die sich jetzt fragen, wie wir so lange ohne Hufschmied ausgekommen sind: Unser Paddock-Boden ist dafür ideal – alle Barfuß-Pferde bei uns müssen nur korrigiert, aber kaum gekürzt werden. Der Huf reibt sich extrem ab und unser Kuschelpony hat beinahe keine Fehlstellung.
Mittlerweile wird das „Decke hinaufgeben“ auch wieder besser. Er bleibt brav stehen und hat keinen Panik-Blick mehr dabei. Außerdem passen seine Haare extrem gut zur Brombeer-Decke. Seine Spitzen sind gerade „Brombeer“ farben.
Er läuft schon sehr brav mit Longiergurt (wobei er sich noch öfter darüber ärgert). Auch mit Trense, wobei er damit extrem unglücklich ist und die ganz Zeit versucht, die Trense auszuspucken. Hier ist er hartnäckig – das Kellerkind akzeptierte das viel schneller. Aber wir sind stolz auf ihn – noch vor Monaten wäre das undenkbar gewesen. Eine Trense oder ein Longiergurt auf unserem unangreifbaren Kuschelpony!
März 2023
Dieses Monat war extrem. Unser Kuschelpony hat Selbstvertrauen aufgebaut und schon länger ab und zu beim Führen beschlossen, auszuprobieren ob er wirklich folgen muss. Da er weiß, er kann weg, nützte er es manchmal keck aus. Wobei er nicht weg läuft, sondern von selbst dahin, wo wir sowieso hin möchten. Trotzdem sollte er bei uns bleiben. Daher versuchte ich bereits sehr fein dosiert, ihn an diesem „weg“ zu hindern. Großteils mit Erfolg und Belohnung für ihn.
Doch an einem Tag auf dem Weg zu Reithalle war es anders. Plötzlich rieß er sich los – durch ein Geräusch, eine Bewegung von mir oder auch durch unsere Hunde getriggert, wir wissen es nicht. Es war nicht frech, sondern heftig und aus Angst. Er lief auch nicht wie sonst in die Halle, sondern zurück in seine Box. Als ich ihn von der Box abholen wollte, stand er im letzten Winkel, zitterte am ganzen Körper, pure Panik im Blick. Er wußte in diesem Moment vermutlich weder, wo er war noch wer ich war. Totales Flash-Back. Er durchlebte in diesem Moment wieder seiner ganz persönlichen Hölle. Erst durch meine Stimme kam eine Änderung in seinen Blick und ein Erkennen, wer auf ihn zugeht. So panisch und zitternd habe ich bisher noch kein Pferd (auch ihn nicht) erlebt. Die Situation war grenzwertig, doch er ließ sich von mir wieder nehmen und berühren. Aber kein Hindenken mehr an Führen. Mit viel Geduld und Ruhe von uns, vielen Blitzstarts, vielem Steigen und letztendlich einem total verschwitztem Kuschelpony landeten wir an diesem Tag doch noch in der Halle. Er war völlig fertig und tat uns so unglaublich leid. Wir können uns nicht vorstellen, was er erlebt haben musst, um – auf eigentlich nichts – so panisch zu reagieren.
Zwei Dinge daran waren positiv: Ihm seine Box als sicherer Rückzugsort zu vermitteln ist gelungen – er lief in seine Box zurück. Und sein Vertrauen in mich ist so groß, dass er immer daran festhält, egal wie schlimm die Situation für ihn ist. Er will mich nicht verletzten. Bei traumatisierten Pferden passiert es immer, dass eine – für uns normale – Situation ein Flash-Back auslöst. Da man die Vorgeschichte nicht kennt, kann man auch nicht einschätzen, was ein Trigger ist. Es können absolute Kleinigkeiten, Gerüche, Berührungen oder eigene Bewegungen sein. Das macht das Arbeiten auch so schwierig und gefährlich. Flash-Backs hatte ich teilweise bei Korrekturpferden auch noch nach 1 Jahr, wo man selbst auf nichts mehr denkt und einen entspannten Umgang mit dem Pferd hat. Diese Situationen werden gefährlich, weil man selbst nicht mehr so wachsam und vorsichtig ist.
Natürlich hatte dieses Flash-Back von unserem Kuschelpony in seinem Verhalten Konsequenzen. In den folgenden Tagen waren wir wieder weit zurück. Er ließ sich nur sehr schwer ein Halfter hinaufgeben. Führen unmöglich, in der Reithalle hielt er extremen Sicherheitsabstand zu uns. Kein Herkommen, kein freies Mitgehen und ein Berühren schwer möglich. Also mussten wir wieder viele Schritte zurück. Wobei er so unglaublich lieb war. Ich versuchte trotzdem unseren „normalen“ Alltag beizubehalten. Also auch wieder Führen. Wir kamen ca. 2 Schritte weit, dann begann er zu zittern und drückte seinen Kopf an mich, als wolle er sagen, ich will ja, aber ich habe so Angst. Entweder war er dann wieder weg oder wir kamen erneut 2 Schritte weit. Ich plante für ihn jeden Tag beinahe „open End“ Zeit ein. So viel Zeit wie er brauchte, so viel Zeit bekam er. Mit den Tagen wurden die gemeinsamen Schritte immer mehr und das Losreißen immer weniger, weniger heftig und er blieb immer mehr in meiner Nähe bzw. kam er sofort wieder zu mir. Er begann auch wieder frei mit mir mitzugehen.
Nach ca. 2 Wochen wollte ich ihn Mittags wie immer aufs Paddock geben. Er bog nicht ab, blieb stehen und schubste mich fast in Richtung Reithalle. Als er dann von selbst losging, ging ich mit ihm mit. Er lief direkt in die Reithalle. So als wolle er mir zeigen, dass er jetzt auf diesem Weg keine Angst mehr hat und es richtig machen möchte. Er war unglaublich …. auch am nächsten Tag ging er direkt (mit mir am Strick) in die Reithalle und nicht zum Mittagsfutter. Seit dem haben wir keine Probleme mehr beim Führen. Er geht mit und wenn er Angst bekommt, bleibt er stehen, geht ev. einen kleinen Schritt retour und bleibt dann tapfer bei mir. Dieses Verhalten zeigt einen unglaublichen Charakter. Er WILL alles richtig und gut machen. Und er bekommt Panik, wenn er glaubt, etwas falsch zu machen. Fehler und Mißverständnisse passieren aber – ihm hier seine Panik zu nehmen ist unsere Herausforderung.